- Warum laufen Menschen einen Ultramarathon?
- Und dann auch noch in Rodgau?
- Und das Mitten im Winter – zumindest von der Jahreszeit her so….
825 Läufer am Start und viele reden nur über die Erstplatzierten
Viele reden über den ersten, den zweiten, das beste Team. Und die anderen? Es waren doch immerhin 825 Läufer auf der Strecke:
- Männlein,
- Weiblein und
- der älteste Teilnehmer mit 80 Jahren! Respekt.
Nur 8 Kilometer mehr als ein Marathon
Denn die besondere Herausforderung dieser Strecke – mal abgesehen davon, dass es knapp 8 Kilometer mehr sind als ein „normaler“ Marathon – es geht im Kreis auf einem 5 Kilometer Rundkurs und selbst die, die sich nur im Zahlenbereich bis 100 sicher bewegen, merken schnell, dass die Läufer hier dann 10 mal im Kreis laufen müssen. Wäre das nicht Herausforderung genug, ist es im Winter in Deutschland auch noch kalt.
Das heißt: gelaufen wird an diesem Tag bei 2-4 Grad Außentemperatur.
Ich habe mir die Kamera eingepackt und vor dem Start ein paar Läufer angesprochen und nach ihrer Motivation für die Teilnahme gefragt. Sehr spannend, was dabei raus gekommen ist. Einige der Läufer habe ich auch auf der Strecke wieder getroffen oder von ihrer Geschichte hier im Netz erfahren. Und diese Geschichten gebe ich an dieser Stelle weiter…
Gerhard der Erfinder des Ultralaufs in Rodgau
Zur Jahreswende 2000 kommt Gerhard auf die glorreiche Idee, man könne doch mal einen Ultralauf in Rodgau anbieten. Dann hat er den Verein RLT Rodgau mobilisiert und die erste Ultra-Veranstaltung nicht nur nach Hessen, sondern damit auch nach Deutschland und sogar nach Europa geholt.
Damit ist er ein Urgestein, was das Ultralaufen angeht.
Seitdem ist die Veranstaltung über die Jahre hinaus gewachsen und mittlerweile DER Klassiker zum Jahresstart und ein Muss (!!) für alle Ultraläufer.
Daher kommen die Teilnehmer auch aus ganz Deutschland angereist und insgesamt sind circa 18 Nationen mit am Start.
In diesem Jahr sind es sogar 825 oder waren es 821 – ach egal… auf jeden Fall über 800 Läuferinnen und Läufer am Start für dieses Event.
Auf die Frage warum man als Läufer hier teilnehmen soll, antwortet Gerhard, dass das jeder für sich entscheiden muss. Und da hat er recht. Die Gründe sind nämlich so vielfältig, wie es Läufer am Start gibt. Egal, ob mit oder ohne Schuh…
Alex der Barfußläufer
Und damit kommen wir zu Alex. Er ist bekennender Barfußläufer aus Ludwigshafen und geht quasi mit OHNE Schuhe an den Start. Total verrückt aus meiner Sicht, denn wir haben heute Temperaturen zwischen 2-4 Grad. Und das ist für mich gefühlt: nicht wirklich warm.
Doch Alex hat einen Grund dafür. Geplagt von orthopädischen Problemen, hat er diese mit dem Weglassen von Schuhe komplett eliminieren können. Zum Glück hat Alex brasilianische Unterstützung, die ebenfalls barfuß und sehr wagemutig mit an den Start geht und zusammen mit Alex den Lauf absolviert. Beide begegnen mir auch später auf der Strecke und die Stimmung ist bei beiden super.
Tobi der neuen Streckenrekord laufen
Tobi ist an diesem Morgen extra aus Ingolstadt angereist. Er begegnet mir auf dem Weg zum Start-/Zielbereich. Sehr konzentriert wirkt er auf mich und die Frage warum er mitläuft, dass ist auch die Frage, die ihn immer wieder mal beschäftigt. Er hat Spaß am Laufen und für heute einen neuen persönlichen Streckenrekord geplant!! Am Ende sollen es 4 Stunden und 30 Minuten werden, wenn er das Ziel erreicht.
Am Anfang sieht das für ihn auch sehr gut aus. Doch irgendwann kommt der Einbruch. Die Kräfte lassen trotz ausgiebigem Training ab Kilometer 30 irgendwie nach und er spielt mit dem Gedanken komplett auszusteigen.
Die Regeln in Rodgau sind so, dass Du die letzte Runde bis um 16:00 Uhr angefangen haben musst, ansonsten musst Du leider abbrechen. Warum? Na irgendwann ist auch mal Ende Gelände, denn schließlich wird es dunkel und die vielen lieben Helferlein müssen auch einiges vor Ort abbauen.
Tobi reißt sich zusammen und kalkuliert für sich, dass er mit abwechselndem Gehen und Laufen, soweit es die Kräfte zulassen, noch rechtzeitig bis ins Ziel schafft.
Für mich eine MEGAstarke mentale Leistung von ihm. Ganz großen Respekt und er schafft es dann bei 5 Stunden und 9 Minuten das Ziel zu erreichen. Später treffe ich ihn nochmal am Auto auf dem Parkplatz. Er sieht absolut fertig aus und dennoch glücklich zugleich und stolz auf seine Leistung. Glückwunsch Tobi. Super!
Claudia finished den ersten Ultramarathon
Claudia ist heute zu ihrem ersten Ultralauf hier in Rodgau angetreten. Die Frage nach dem Warum, ist sie für sie eine interessante Frage und sie hat auch eine Antwort darauf:
- an die Grenzen gehen und
- darüber hinaus und
- gleichzeitig Spaß haben mit den vielen Menschen hier in Rodgau.
Claudia trainiert mit vielen anderen Menschen gemeinsam und ist mehr als nur ambitionierte Läuferin. Beim Parkrun in Gießen unterstützt sie ein Projekt bei dem Menschen sich zum Laufen treffen und anschließend gemeinsam frühstücken. Menschen zusammen bringen und in Austausch miteinander, das ist ihre Passion.
Trotz Magenschmerzen und einiger Abstecher auf die vom Veranstalter bereit gestellten Toiletten im Start-/Zielbereich, beendet sie ihren ersten Ultralauf hier in Rodgau.
Stolz hält sie bei der leckeren Linsensuppe am Ende in der Turnhalle ihre Medaille in die Kamera.
Ganz großen Respekt für diese Leistung und herzlichen Glückwunsch zum ersten Ultra. Super gemacht!!
Dominik aus Offenbach, der wegen der guten Stimmung und dem Miteinander kommt.
Dominik ist zusammen mit seinem 12 Jahre alten Labrador vor Ort. Der läuft allerdings nicht mit – also der Labbi. Der ruht im Auto und wartet auf Dominik, der auch wegen der guten Stimmung und vor allem der menschlichen Atmosphäre vor Ort ist.
Dominik hat in Rodgau seinen ersten Ultramarathon gelaufen. Fasziniert von der Menschlichkeit und dem Miteinander, was er auf der Strecke und am Streckenrand miterlebt hat, tritt auch er heute wiederholt an. Ihm geht es aus meiner Sicht weniger um Rekorde und Bestzeiten. Er will raus, die Menschen treffen und gemeinsam den Lauf gemütlich absolvieren.
Auch er begegnet mir wiederholt auf der Strecke. Ich sehe ihn nach dem Wendepunkt auf der Strecke. Er ist gut gelaunt und winkt mir freundlich zu. Echt klasse. Vielen Dank, dass ich dich kennen lernen durfte. Grüße mir Deinen Labbi…
Teddy der wegen Karneval im Löwenkostüm läuft
Tiere auf der Strecke sind aber nicht erlaubt – so die Regeln des Veranstalters.
- Häh? Was soll das?
- Ein Typ im gelben Kostüm?
- Ein „Teddy“ im Löwenkostüm??
Kaum habe ich die Startunterlagen in den Händen und will damit zurück zum Auto, begegnet mir ein gut gelaunter Mensch im kuscheligen Kostüm.
Teddy hat sich in Schale geworfen. Er ist Frühstarter und will heute sehen was geht. Frühstarter starten um 09.00 Uhr und versuchen es mit den anderen bis ins Ziel.
Witzigerweise kann ich mich an die Teddy aus dem letzten Jahr noch erinnern. Damals hatte er ein oranges Kostüm von einem Müllmann angehabt. Warum er das macht? Nun ja wir haben doch Faschingszeit, sagt er. Es geht auf Karneval zu…
Für mich auch einer von denen die großen Respekt verdienen. Denn es geht nicht immer um Höchstleistungen. Es geht manchmal einfach nur darum mit dabei zu sein. Und das ist er, der Teddy. Echt ein cooler, lustiger und sehr offener Typ.
die drei Stimmungsmacher, die gegen den Strom laufen und die Leistung jedes respektieren
Die laufen ja nur im Kreis und jeder läuft für sich… So scheint es manchmal wirklich, betrachtet man das Ganze von Weitem und von Außen…
Doch einen solchen Lauf, läuft man nicht alleine!!
Und selbst der Erstplatzierte: Jan Kerkemann von diesem Rennen, hat einen Radfahrer vor sich und wird von vielen Läufern auf der Strecke angefeuert. Und das ist bei einer solch mentalen Herausforderung immens wichtig.
Und Stimmung machen auch die drei Stimmungsmacher, die an diesem Morgen auf der Strecke sind. Sie kommen mir mehrfach auf der Strecke entgegen. Und wenn ich mehrfach schreibe, dann mein ich das so. Ich vermute mal die sind 3-5 mal auf dem Kurs in umgekehrter Richtung unterwegs. Mit Pfeife, Ratsche und vor allem ihren lautstarken Worten, respektieren sie die Leistung jedes einzelnen.
Und während ich das schreibe, stelle sich mir die Haare auf, weil ich das echt den Hammer fand! Den ganzen Tag in der Kälte rumlaufen und Menschen anfeuern, die man gar nicht kennt. Die Leistung benennen und dabei freudig zu strahlen. Rattern und klappern und pfeifen und dabei auch noch tanzen und anfeuern…
Ganz großes Dankeschön an diese drei… Super gemacht!!
Peter – der DJ vom RLT Rodgau sorgt für Stimmung auf der Strecke
Und für gute Stimmung hat auch der vereinseigene DJ auf der Strecke gesorgt. Peter hatte immer die richtige Mucke am Start…
Neben dem Beast of Burdon klangen Rockklassiker wie „I love Rock and Roll“ und weitere Tracks aus der Trickkiste, um den Läufern Mut zu machen. Und auch der Boss kam zu Wort mit „Baby, we were born to Run.“ Ob er uns auf der Strecke damit etwas sagen wollte?
Klassiker wie Andreas Bourani mit einem „Hoch auf uns“ dürfen genauso nicht fehlen wie Tim Bendzko, der davor warnt nach unten zu sehen, wenn uns die Luft ausgeht…
Denn es geht immer voran.
„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran…“
Neben der guten Musik gab es hier auch noch stimmungsgeladene Tänzer, die die Läufen ebenso anfeuerten.
Herzlichen Dank an dieser Stelle an ALLE Helfer, die sich an diesem Tag für uns Läufer und die Orga eingesetzt haben.
- Parkplatz-Orga
- Einweiser
- Sprecher vor Ort
- Startnummernausgabe
- Aufbau und Abbau
- Siegerehrung
- und, und, und…
Ihr habt einen klasse Job gemacht!! Weiter so
Rodgau wir kommen wieder- Termin 2021 steht bereits
Der Termin für 2021 steht ja auch schon:
Samstag, 30.01.2021…Anmeldung ab August möglich.
Ja und dann ist da Katrin, die nach Kilometer 35 aufhört
Katrin hat sich riesig auf ihr Debüt gefreut und wir gemeinsam einige Trainingsläufe absolviert. Vor allem die langen Läufe, die die Fettverbrennung ankurbeln sollen.
Bis hin zu 30 Kilometern sind wir im Lahnpark gelaufen. Schön locker und klasse gemeistert. Allerdings hatte sie die letzten Tage mit einer Erkältung zu kämpfen und war deswegen auch etwas angeschlagen.
Ihre Motivation?
- Grenzerfahrung und
- darüber hinaus zu gehen
- etwas Neues erleben…
Katrin verdient für mich ganz großen Respekt für ihre Leistung an diesem Tag. Nach einem mentalen Einbruch bei Kilometer 25 machten dann die Hamstrings zu und sie hatte dadurch sehr großen Mut bewiesen, das Rennen an dieser Stelle aus gesundheitlichen Gründen abzubrechen.
Gesundheit geht auch aus meiner Sicht definitiv vor. Und der große Vorteil bei dieser Strecke:
- Du kannst nach jeder Runde aufhören und
- brauchst Dir keine Gedanken über einen Rücktransport zu machen.
- Alles ist fußläufig erreichbar…
Ich denke wir quälen uns vielleicht manchmal all zu oft, statt rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und etwas zu beenden.
In Firmen wird dann zum Beispiel gutes Geld dem schlechten noch hinterher geworfen. Auf Dauer bringt nicht das nichts. Vielleicht wird das eine oder andere andere Ego befriedigt, doch das ist meist nur von kurzer Dauer.
Wieso so etwas kommt? Oftmals gibt es mehrere Gründe, denn meist ist es ja nicht der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, sondern die vielen Tropfen vorher.
- Zu wenig Dehnen?
- Ernährung?
- Vielleicht doch zu wenig Training?
- Mentaler Einbruch?
- oder einfach nur ein schlechter Tag…?
- Was auch immer!
Vorwärts schauen und die Kraft der großen Zahlen nutzen…
Es gibt neue Chancen einen Ultralauf anzugehen.
Und an solchen Stellen gilt es vielleicht einfach mal innezuhalten und zurück zu blicken.
Was haben wir bis hier her alles geschafft?
35 Kilometer ist ne ganze Menge und ich habe das für Katrin extra mal in Fußballfelder auf das Saarland bezogen umgerechnet:
251 939 Fußballfelder – betrachtet man das Saarland.
Wahnsinn! Die Macht der großen Zahlen! Eine richtig starke Leistung.
Starken Mut bewiesen und aus gesundheitlichen Gründen einfach sagen: Bis hier hin und nicht weiter…
Und jetzt heißt es nach vorne blicken.
Marburg wartet auf uns am Samstag, 29.02.2020
Dort müssen wir dann nur 5 Runden laufen – die sind allerdings dann 10 Kilometer lang, was in Summe bedeutet, dass wieder 50 Kilometer gelaufen werden.
Mein besonderer Dank gilt auch Kerstin, die mich ab Runde 1 bis Kilometer 30 begleitet hat. Hier unten auf dem Bild läuft sie in grüner Jacke neben mir. Nächstes Jahr finishen wir dann zusammen unter 5 Stunden. Trotz Stimmungsmache auf dem Track…
Ich danke an dieser Stelle allen, die sich so spontan auf ein Interview eingelassen haben. Was in der heutigen Zeit mit dem Trallalaalaa um die DSGVO – die kaum einer braucht, weil ja doch jeder fast alles im Netz postet – nicht so ohne ist.
Ich danke allen für das Teilen ihrer Geschichten, von denen jeder etwas mitnehmen kann.
Ich danke den Organisatoren und den über 100 Helfern an der Strecke für dieses Event.
Ich danke für das stabile Wetter an diesem Tag.
Ich freue mich auf 2021, dass wir alle mit neuem Mut und gestärkt auf ein Neues an den Start gehen!!!